Montag, 13. Oktober 2014

Schreibaby

Wenn das Baby einen um den Verstand bringt

Schreibabys werden sie genannt: Ca. 20 Prozent aller Säuglinge brüllen extrem oft. Und jeder Elternteil ist in der ersten Zeit, wenn das Baby viel weint, sehr unsicher. Ich bin oft an meine Grenzen gestoßen, habe viel geweint und wusste nicht, ob ich alles richtig mache. Ich konnte diesen Klang des Brüllens nicht mehr hören. Oft weinte meine Kleine 14 Stunden täglich und jede Bemühung, ihr etwas Gutes zu tun, ist fehlgeschlagen.
Endloses Schreien – nichts scheint zu helfen!
Wir waren viel beim Kinderarzt, weil wir so unsicher waren – wir dachten unser Kind muss Schmerzen haben, wenn es ununterbrochen schreit. Wir haben es gefüttert, gewickelt, gekuschelt, viele viele Stunden herumgetragen doch es wurde nicht besser. Vielmehr wurde der Ton noch schriller, noch lauter – einfach nervenaufreibend!
Die vielen Besuche beim Kinderarzt haben uns leider nicht weitergebracht. Wir wollten einfach nicht mehr hören, dass das Schreien normal sei, dass unser Kind gesund sei, ihm nichts fehle usw. Wir brauchten und wollten Hilfe – auch als Eltern!
Online-Suche nach der richtigen Therapie
Also habe ich viel im Internet recherchiert und mir auf diesem Weg Hilfe gesucht. Wir waren beim Babyschwimmen, bei einem Osteopathen und haben uns zum Schluss an eine spezialisierte Therapiestelle gewandt. Und unsere Erfahrung damit?
Die Osteopathie war leider erfolglos, doch das Babyschwimmen hat viel Erleichterung gebracht, sie liebte das Wasser und somit war wenigstens 1 mal wöchentlich ein bisschen Entspannung eingeplant – für die Kleine und auch für Mama.
Ich kann jeder Familie, die mit dem Schreien oder anderen Schwierigkeiten mit ihrem Säugling nicht zurecht kommt oder sich hilflos fühlt, nur dringend ans Herz legen, sich professionelle Hilfe zu holen. Es tut gut seine Sorgen und Ängste bei einer professionellen Therapeutin los zu werden und sich ein paar hilfreiche Tipps geben zu lassen. Und wenn es einfach beruhigt, dass man selber nichts falsch macht.
Meine persönlichen Tipps zum Umgang mit Schreibabys
Wenn es gar nicht mehr geht, Sie an Ihre Belastungsgrenzen kommen und die Psyche nicht mehr mitspielt, verlassen Sie den Raum für ein paar Minuten. Legen Sie sich auf den Boden und denken Sie an etwas Schönes. Tanken Sie wieder etwas Kraft, denn Ihr Kleines braucht die Stärke der Bezugsperson, Sie müssen also auch gut für sich selbst sorgen. Schon die kleinsten Säuglinge merken, wenn man nervös, gereizt oder ängstlich ist und das überträgt sich auch aufs Kind. Machen Sie ausgiebige Spaziergänge im Kinderwagen oder eine Trage, viele Babys lieben es im Kinderwagen geschaukelt zu werden oder ganz nah bei einem zu sein, den Körper von Mama oder Papa zu spüren.
Keiner ist „schuld“ daran, dass ein Schreibaby soviel weint
Ich habe auf diesem langen Weg gelernt, dass es kein Fehler von mir ist, wenn mein Kind so viel weint, sondern viele Babys die ganzen Eindrücke nicht oder nur schwer verarbeiten können und sie nur über das Schreien zum Ausdruck bringen können. Muten Sie Ihrem Baby nicht zu viel zu, schaffen Sie einen ausgeglichenen Alltag mit nur wenigen äußeren Reizen.





Samstag, 11. Oktober 2014

Wie Stereotypen unser Denken beeinflussen…

Fallschirm
Mädchen können eh kein Mathe. Jungs sind laut und spielen Fußball – Wie Stereotype unser Denken beeinflussen
Vorurteile, Klischees, in Schubladen denken und eben auch Stereotype sind alles verschiedene Ausdrücke, die im Grunde dasselbe bedeuten. Wir bilden uns eine Meinung über eine Situation oder einen Menschen ohne alle dazugehörigen Fakten zu kennen. So ein vorgefasstes Wissen über bestimmte wiederkehrende Abläufe kann uns einerseits den Umgang miteinander ungemein erleichtern, andererseits ihn auch erschweren.
Beispielsweise hat vermutlich jeder von uns eine Vorstellung im Kopf, wie ein Restaurantbesuch ablaufen wird: Wir betreten das Restaurant, setzen uns, der Kellner bringt die Karte, geht wieder, nimmt die Bestellung auf, bringt das Essen und zum Schluss müssen wir bezahlen. Der Gast kann sich entspannen, weil er weiß was als nächstes auf ihn zukommt und seine Erwartungen erfüllt werden. Eines höheren Maßes an Aufmerksamkeit bedarf es allerdings, wenn wir überrascht werden von einem nicht erwartungskonformen Restaurantbesuch, indem wir uns zum Beispiel das Essen selbst an einem Grill zubereiten müssen oder bei dem der Kellner nicht an den Tisch kommt. Ein erhöhtes subjektives Stressempfinden ist die Folge davon.
Auf der anderen Seite kann eine stereotype Einschätzung des Gegenübers die Kommunikation zwischen zwei Menschen auch erheblich verfälschen. Es sind schließlich nicht alle Blondinen doof, alle Brillenträger oberschlau und nicht alle kleinen Männer fahren ein großes Auto.
Unsere Vorurteile beeinflussen nicht nur unser Denken über die Mitmenschen, sondern haben auch Auswirkungen darauf, wie unsere Mitmenschen über sich selber denken und sich dementsprechend verhalten. Psychologische Forscher einer italienischen Universität ließen 60 Frauen einen schwierigen Mathematiktest durchführen. Der einen Hälfte wurde gesagt, dass Frauen bei diesem Test meist schlechter abschneiden als Männer, der anderen Hälfte wurden keine weiteren Informationen gegeben. Anhand der Ergebnisse in dem Mathetest konnte nachgewiesen werden, dass die Frauen, die mit dem negativen Stereotyp über ihre Mathematikfähigkeiten konfrontiert wurden, tatsächlich auch eine schlechtere Leistung in dem Test gezeigt haben. Die Gruppe der Frauen, die keine Vorinformationen erhalten hatten, erzielte bessere Ergebnisse.
Alleine das vermeintliche Wissen, dass man in einer Aufgabe schlecht abschneiden könnte, bringt uns dazu, diese Vorhersage auch zu erfüllen. Dieser Zusammenhang wird „selbsterfüllende Prophezeiung“ genannt.
Wohl die meisten Stereotype existieren allerdings über Männer und Frauen (z. B. „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken.“). Diese Vorurteile bestehen sehr häufig auch schon über Mädchen und Jungs. Jungs spielen gerne Fußball und raufen sich. Wenn sie das nicht tun, stimmt vielleicht etwas mit ihnen nicht? Mädchen spielen gerne mit Puppen und sind nur ganz selten frech. Und wenn doch? Werden sie dann härter bestraft als Jungs? „Die sind ja eben so.“
Die Individualität eines Menschen lässt sich nur sehr bedingt mit Stereotypen erfassen.Nehmen wir uns die Zeit, die notwendig ist.
Im Übrigen wurde dieses Jahr wieder die höchste Auszeichnung in der Mathematik verliehen an die 37-jährige Frau Maryam Mirzakhani.

Die Autorin Leona Steinack ist Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Ausbildung.

Literatur
Cadinu, Maass, Rosabianca und Kiesner (2005)



Ein Gedanke zu “Wie Stereotypen unser Denken beeinflussen…”

  1. Sabine_D
    Leider nur allzu wahr! Ich kann mich selbst sehr gut an meine Schulzeit erinnern und wie die vorgefassten Meinungen auch unserer Lehrer die Leistungen beeinflussten! Wir Mädchen waren deutlich in der Überzahl, 27 Mädels und 5 Jungs. Trotzdem hat der Physiklehrer (vielen “Dank” Herr Auer) es geschafft, den Mädchen zu vermitteln “ihr könnts ja eh nicht!” Machte ein Mädchen einen Fehler an der Tafel, rief er einen Jungen auf, “damit er ihr mal zeigt wie das geht.”
    Als ziemliche Null in Physik und nur durchschnittlich in Mathe war ich gezwungen zum Abi das als schriftliches Prüfungsfach zu wählen – mir schlotterten die Knie und ich sah mich wöchentlich zur teuren Nachhilfe laufen… Aber siehe da – ein ruhiger, aufgeschlossener Mathelehrer übernahm den Kurs, erklärte geduldig alles noch mal, wenn jemand etwas nicht verstand und vermittelte jedem das Gefühl “Mathe kann jeder”. Was soll ich sagen, aus dem Abi bin ich mit ner Zwei rausgegangen… Weil mein Lehrer an mich glaubte.

Montag, 6. Oktober 2014

Stress durch Schule macht krank




Berliner Kinder werden durchschnittlich mit fünfeinhalb Jahren eingeschult, weil es das Schulgesetz so vorsieht. In der Schuleingangsphase werden die Schulanfänger meistens in Jahrgangsübergreifenden Lerngruppen zusammengefasst und sollen von Anfang an selbständig Arbeiten und ihren individuell erstellten Wochenplan erfüllen.
Manche Kinder neigen dazu lieber aus dem Fenster zu sehen oder sich anzumalen. Sie langweilen sich, weil sie überfordert oder unterfordert sind und schweifen verträumt in ihre Fantasie ab. Für solche Kinder sieht das Berliner Schulsystem das Verweilen in der Schuleingangsphase vor, also die Wiederholung der ersten oder zweiten Klasse, vielleicht um ihnen mehr Zeit zum Träumen zu lassen …
Störungen des Schriftspracherwerbs und Rechenstörungen können früh dazu führen, dass Schüler das Lernen aufgeben und sich zurückziehen. Es werden oft geschickte Strategien zur Vermeidung der Angst auslösenden Lernsituationen ausgebildet.
Vom wissenschaftlichen Standpunkt her sollten Alarmzeichen, wie anhaltende Schulunlust, aggressive Abwehr von Leseübungen, häufige Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen dringend zügig testpsychologisch überprüft werden, und falls eine Störung schulischer Fertigkeiten, also das Vorliegen einer deutich unterdurchschnittlichen Lese-, Rechtschreib- oder Rechenfertigkeit bei gleichzeitig normaler Intelligenz, diagnostiziert wird sollten therapeutische Massnahmen eingeleitet werden.
Konzentrationsprobleme, störendes Verhalten im Unterricht, Wutanfälle oder körperliche Auseinandersetzungen von Schulanfängern sind häufige Auswirkungen der Überforderung durch unentdeckte Leistungsstörungen.
Leider werden beginnende schulische Teilleistungsstörungen durch die ‘Strategie des sich Zeit lassens’ meistens nicht besser. Auch wenn ein Verweiljahr eingelegt wurde, irgendwann kommt jeder Schüler in die dritte Klasse, ab dann gibt es meistens Noten. Unsportliche Schüler bekommen dann ihre ersten Fünfen oder Sechsen in Sport, der ihnen dann gar keinen Spass mehr macht, obwohl es gerade für sie besonders wichtig wäre zum Sport treiben motiviert zu werden. Auch im Kunstunterricht oder im Musikunterricht unterricht können sich Kinder mit feinmotorischen Schwierigkeiten oder mangelnder Musikalität schlechte Noten abholen, was völlig kontraproduktiv ist, weil doch gerade diese Fächer dazu dienen könnten die Freude am Schulbesuch zu stärken.
Etwa ab der fünften Klasse, mit ca. 10 Jahren, wissen alle Kinder wie wichtig die Noten für die weitere Schullaufbahn sind und können ihr Leistungsvermögen einschätzen. Bei, durch Teilleistungsprobleme oder einfach durch verpassten grundlegenden Stoffe wegen Unterrichtsausfällen verursachten Unsicherheiten können Leistungsversagensängste entstehen und zusätzliche Schwierigkeiten verursachen. Im schlimmsten Fall kommt es zu schuldistanzierten Verhalten, wenn die Kinder sich nicht mehr dazu motivieren lassen weiter die Schule zu besuchen. Den Eltern droht dann eine Schulversäumnisanzeige mit vierstelligem Bussgeld und das Jugendamt mit ‘sozialen Gruppen’.
Das Berliner Schulsystem bietet vielerlei Fallstricke und Insuffizienzen, denen Schüler zum Opfer fallen können. Um beginnende Schulprobleme nicht zum Schulversagen werden zu lassen ist es wichtig früh genug erfahrene und unabhängige prpfessionelle Hilfe zu finden. Durch psychometrische Untersuchungen können die Zusammenhänge und Ursachen der Schwierigkeiten benannt werden. Eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung kann Kindern sowohl dabei helfen ihre Ängste zu erkennen und besser in den Griff zu bekommen, als auch dabei unterstützen eine gute Leistungsmotivation zu finden. In einem multiprofessionellen kinderpsychologischen Team mit fachärztlicher Kompetenz können überdies hilfreiche Übungsbehandlungen wie Logopädie, Ergotherapie oder Lerntherapie angeregt oder unterstützende Medikamente verordnet werden.
Der Autor dieses Artikels – Peter Dirscherl ist Facharzt für Kinder und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie.