Freitag, 21. November 2014

Hänseleien

Woher kommt das und was können wir tun?

Hänseleien
Wasser, Nahrung, Schlafen. Die Grundbedürfnisse der Menschheit. Aber nicht nur die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse ist von überlebenswichtiger Bedeutung. Darüber hinaus besteht meist das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit, anders gesagt nach “gemocht werden”. Schnell identifizieren wir uns mit anderen Menschen, die beispielsweise Fan des gleichen Fußballvereins sind, die aus der gleichen Region kommen oder schlicht ebenfalls Männer sind. Wir bilden Untergruppierungen, die uns sympathisch sind, und grenzen uns damit gegen andere ab.
Auswirkungen von Hänseleien – wie es die Forschung erklärt
Ohne dieses Bedürfnis nach “gemocht werden” und damit Teil einer sozialer Gruppe zu sein, warten soziale Abgrenzung und sozialer Ausschluss auf das Individuum.
Das Maß des von anderen “Gemocht-werdens” spiegelt sich im Selbstwertgefühl wider, einer individuellen Einschätzung seiner Selbst. Bei negativen Bewertungen durch andere verringert sich das Selbstwertgefühl, positive Meinungen anderer über einen selbst stärken es. Negative Einschätzungen einer Person haben oft Ausgrenzung, Ignoranz oder Abweisung dieser Person zur Folge.
Dieser theoretischen Sicht auf den Zusammenschluss von Gruppen steht der äußerst praktische Alltag vieler Kinder und Jugendlicher (und auch Erwachsener) gegenüber. Hänseleien und im Extremfall Mobbing sind für viele an der Tagesordnung. Diese verletzenden Gruppenerfahrungen können zu einer negativen Einschätzung des Selbst und im schlimmsten Fall zu schweren psychischen und emotionalen Erkrankungen führen.
Praktische Tipps für Eltern und Kind
Um diesen Kreis zu durchbrechen besteht die Möglichkeit entweder am Zugehörigkeitsgefühl oder am Selbstwertgefühl des Kindes anzusetzen. Zwar kann man die anderen Kinder nicht von heute auf morgen dazu bringen, das eigene Kind zu mögen. Man kann seinem Kind aber Angebote machen in Form von anderen sozialen Gruppen, sei es der Schach-AG, einer Computerspiele-Clique oder einem Pokémon-Fanclub. Dem Kind wird damit die Möglichkeit geboten, Gleichgesinnte zu treffen, was die Wahrscheinlichkeit des “gemocht werdens” erhöht. Es gibt ebenfalls die Möglichkeit im geschützten Rahmen einer psychotherapeutisch geleiteten Gruppe positive Erfahrungen mit anderen zu sammeln und so selbstsicherer im Schulalltag auftreten zu können.
Die andere Stellschraube ist das Selbstwertgefühl. Wir müssen unseren Schützlingen gerade als Eltern klar machen, dass sie trotz oder gerade wegen der Fehler, die jeder von uns hat, liebenswert und wertvoll sind. Innere Unsicherheit führt dazu, dass schon die kleinsten Anzeichen von sozialem Ausschluss überinterpretiert oder zu einer Katastrophe gemacht werden und somit das Selbstwertgefühl erschüttern. Ohne stabiles Selbstwertgefühl sind wir noch mehr den Meinungen anderer ausgeliefert und machen uns anfälliger für Hänseleien und Mobbing.
An einem bestimmten Punkt kommen allerdings auch die besten Eltern manchmal nicht mehr weiter. Unterstützung können dann geschulte Psychotherapeuten durch verschiedene therapeutische Ansätze bieten. Diese Maßnahmen helfen den Kindern, nicht nur von anderen, sondern – viel wichtiger – von sich selbst wieder “gemocht zu werden”.
Die Artikel-Autorin Leona Steinack ist ist Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Ausbildung.

Samstag, 15. November 2014

Eingewöhnung kann schwer fallen


Eingewöhnung in der KiTa, im Kindergarten oder bei der Tagesmutti – wenn das Loslassen schwer fällt

Kindergarten
Alle Eltern kennen dieses beklemmende Gefühl, wenn es zum ersten Mal heißt, das eigene Kind eine fremden Menschen anzuvertrauen – sei es die KITA, sei es die Tagesmutti oder auch „nur“ die Oma, bei der es übernachten soll. Ich habe viel gezweifelt ob es das Richtige ist, mein Kind in „fremde“ Hände zu geben. Ja es hat mich um so manche Nacht gebracht.
Berufstätig – wer betreut das Kind?
Wir sind beide berufstätig und da blieb uns keine andere Wahl als eine Entscheidung zu treffen zwischen Kindergarten bzw. KiTa oder Tagesmutter. Schnell war für uns klar, dass wir es bevorzugten, unser Kind nur ein Mal einzugewöhnen (also KiTa/Kindergarten anstatt mehrere Tagesmütter auszuprobieren) und ihm zugleich den Kontakt zu vielen anderen Kindern zu ermöglichen.
Fragen und Sorgen: Ist mein Kind gut aufgehoben?
Der erste Tag der Eingewöhnung rückte immer näher und meine Bauchschmerzen wurden immer stärker. Unzählige Fragen kamen wieder in mir auf… Ist sie schon bereit für den Kindergarten? Bin ich dafür schon bereit? Wird sie da ordentlich versorgt? Was ist, wenn sie mal krank wird? Mag sie die Betreuer und die anderen Kinder? Ist das pädagogische Konzept auch gut? Und so weiter, und so weiter… Jede Kleinigkeit wälzte ich in Gedanken hin und her.
Der erste Tag der Eingewöhnung
Endlich war es so weit, der erste Tag im Kindergarten war da. Und wie sollte es anders sein, mein Kind hatte wie auch ich sehr schlecht geschlafen, somit war mir klar, dass sie heute erst recht nicht von meiner Seite weichen würde. Kaum vorstellbar, dass sie an diesem Tag ohne mich in der KiTa bleiben würde und sei es noch so kurz! Sollten wir es doch verschieben? Ich überlegte, die KiTa anzurufen und abzusagen. Doch eigentlich war mir klar: Nein, wir müssen da jetzt durch. Und siehe da – der erste Tag und auch die folgenden verliefen ganz unproblematisch. Die KiTa ermöglichte ein nettes, offenes Zusammenspiel zwischen Erzieherin, Mama und Kind. Meine Kleine konnte sich an das neue Umfeld und die Erzieherinnen gewöhnen während ich als sicherer Halt noch dabei war.
Wenn der Abschied trotzdem schwer fällt
Bald war es aber an der Zeit, mein Kind auch mal alleine für ein paar Minuten zu lassen und es brach mir das Herz. Sie hat so bitterlich geweint, wenn ich ging, dass ich am liebsten alles hingeschmissen hätte. Aber es musste doch sein, oder? Es wird schon bald besser werden, sagte ich mir und kämpfte selbst mit den Tränen. Aber nein, von Tag zu Tag wurde es schlimmer anstatt besser und ich wollte meine Tochter nicht mehr abgeben. Und je mehr ich selbst unsicher wurde umso mehr vermittelte ich meinem Kind das Gefühl „ich möchte dich gar nicht abgeben, ich möchte dich bei mir haben“ und umso mehr hat sie geweint!
Als Eltern wollen wir oft selbst nicht loslassen
Mir wurde klar: Ich muss vor allem auch mit mir selbst ins Reine kommen. Was möchte ich eigentlich selbst? Ist es mein Kind, das an mir festhält oder bin ich diejenige, die mein Kind nicht loslassen kann? Zum einen musste die KiTa-Betreuung sein, weil ich schließlich wieder zur Arbeit wollte und musste, zum anderen sollte meine Kleine auch die Möglichkeit haben, den sozialen Umgang mit anderen Kindern zu lernen und Freundschaften zu schließen.
Zuversicht und Sicherheit der Eltern erleichtern die Trennung
Es gab es nur noch einen Weg, die Trennung zu erleichtern: Ich musste meiner Tochter vermitteln, dass der Kindergarten etwas Tolles ist und es Spaß macht, dorthin zu gehen und mit den anderen Kindern zu spielen und Neues zu erleben. Ich habe viel mit ihr gesprochen und versucht ihr zu zeigen, dass ich selbst keine Sorge und Angst habe, sie abzugeben, sondern den Erzieherinnen voll vertraue. Ich habe ihr von den vielen schönen Sachen erzählt, die sie ausprobieren kann mit den anderen und sie mit einem Lächeln der Erzieherin übergeben. Das ist mir nicht immer so gut gelungen, oft habe ich ihr mit Tränen in den Augen Tschüss sagen wollen – doch je sicherer ich selbst war, desto leichter fiel es auch meiner Kleinen, mich gehen zu lassen.
Ein großer Schritt, der sich für alle lohnt
Was soll ich sagen – es hat schließlich funktioniert und in der letzten Phase der Eingewöhnung hat sie gar nicht mehr geweint. Im Gegenteil, sie hat sich gefreut auf ihren eigenen Spiel- und Erlebnisraum und mit Begeisterung am Ende des Tages uns Eltern viel zu erzählen gehabt. Das Loslassen ist eine schwierige Phase für Mama, Papa und Kind und zugleich ein ganz großer Schritt, den wir alle irgendwann machen müssen. Ich habe diesen Schritt gewagt und es hat sich gelohnt.
Die Artikel Autorin arbeitet in einer kinder- und jugendpsychiatrischen und psychotherapeutischen Praxis.


Dienstag, 11. November 2014

Kindertherapie anschaulich erklärt

Kindertherapie, ein Ausflug

Fallschirm
Es gibt in Deutschland über 200 verschiedene Therapieformen, jedoch sind nur drei Verfahren von der Krankenkasse anerkannt. Die Verhaltenstherapie (VT), die Psychoanalytische Therapie (AP) und die tiefenpsychologisch fundiertePsychotherapie (TP). Diese werden für Kinder ebenso wie für Erwachsene angeboten und von der Kasse bezahlt. Natürlich unterscheiden sich die Verfahren untereinander stark, aber auch die Behandlung zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unterscheidet sich deutlich.

Um die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
geht es in diesem Blog, da ich mich selbst in der Ausbildung zur TP-lerin befinde.
Die Ursachenerklärung der TP geht davon aus, dass sich die Kindheit in vier Phasen unterteilen lässt: die orale Phase (mit ca. anderthalb Lebensjahren), die anale Phase (ca. 2.-4. Lebensjahr), die genitale Phase (ca. 4.-6. Lebensjahr) und die Latenzzeit (Schulalter bis zum Eintritt in die Pubertät). Zu jeder dieser Phasen müssen oder sollen verschiedene Entwicklungsaufgaben bewältigt werden.
Wenn aber gewisse Aufgaben nicht gemeistert werden können, werden sie mit in die nächste Phase „geschleppt“ und können immer schwieriger bewältigt werden, da dort ja schon neue Aufgaben warten.
Ein Beispiel:
Anna ist zwei Jahre alt und liebt es statt zu essen mit dem Essen zu spielen. Das heißt, sie wirft die Erbsen und die Nudeln in ihren Wasserbecher und rührt kräftig umher, dann mischt sie Saft dazu und probiert das Ganze. Sie verfeinert es mit Sahnesoße und spuckt vielleicht noch hinein. Dies bringt Annas Eltern an ihre Grenzen, da sie immerzu wischen und Anna umziehen müssen. Für Anna ist dies aber eine ganz entscheidende Entwicklungsaufgabe und vollkommen angemessen für ihr Alter! Mit Sand und Wasser im Urlaub ist diese Aufgabe für alle Beteiligten einfacher zu lösen, leider hält diese Phase aber länger an, als ein Urlaub lang ist.
Tiefenpsychologisch gesehen ersetzt das „Manschen“ mit Essen oder Sand oder ähnlichem die Fäkalien von Anna. Denn sie ist in der analen Phase und versucht sich mit ihrer Kacke auseinanderzusetzen. Da sie dies aber nicht darf und sie schnell gelernt hat, dass Kacke in den Müll gehört und eklig ist, ist sie schon so einfallsreich und benutzt andere Dinge, um die Kacke zu ersetzen.
Wenn aber ihre Eltern sehr rigide sind und nichts zulassen, was mit „manschen“ zutun hat, kann es gut sein, dass Anna nicht „sauber“ wird oder besser: nicht werden kann. Oder sie reagiert in eine andere Richtung und möchte bloß keinen Sand an den Händen haben oder gar Gras an den Füßen – sie wird also zu sehr „sauber“.
Es könnte genauso sein, dass bei Anna mit 14 Jahren ein Waschzwang auftritt oder auch, dass sie sich prächtig entwickelt, weil Kinder ein Phänomen sind und es schwer erklärbar ist, warum es zu einer Erkrankung kommt oder nicht.
In der tiefenpsychologisch fundierten Therapie
mit Anna würde ich dann versuchen, diesen fehlenden Entwicklungsschritt herauszufinden. Was hier sehr anschaulich aussieht, kann in der Therapie leider nicht immer so einfach herausgefiltert werden. Im Anschluss würde ich diese „Entwicklungslücke“ mit ihr „nachbewältigen“. Ich würde viele Sitzungen mit Ton, Sand, Knete oder Salzteig gestalten. Den Boden lege ich mit Plastik aus, so dass es in diesem therapeutischen Raum eben erlaubt ist eine echte Manscherei zu betreiben. Anna kann sich hier auslassen, auf eine ganz andere Weise als im Alltag, dazu ist Therapie auch da! Und ich würde natürlich versuchen mit ihr ins Gespräch kommen.
Eltern können befürchten, ihre Kinder wünschten sich dieses therapeutische Verhalten auch von ihnen und so ist es vielleicht auch, aber es geht nicht darum, dies erfüllen zu müssen. Der normale Alltag und ein therapeutischer Prozess sind sehr unterschiedliche Dinge und ich kenne bisher kein Kind, was das nicht verstanden hat.
Der Heilungsprozess hängt, neben der Therapieform, auch davon ab, ob Therapie Freude macht, also ein Kind gerne kommt und am allermeisten davon, wie sehr Patient und Therapeut sich mögen.
Die Autorin, Daniela Penkwitz, ist Erzieherin, Diplom Pädagogin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin i. A.