Kindertherapie, ein Ausflug

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Es gibt in Deutschland über 200 verschiedene Therapieformen, jedoch sind nur drei Verfahren von der Krankenkasse anerkannt. Die Verhaltenstherapie (VT), die Psychoanalytische Therapie (AP) und die tiefenpsychologisch fundiertePsychotherapie (TP). Diese werden für Kinder ebenso wie für Erwachsene angeboten und von der Kasse bezahlt. Natürlich unterscheiden sich die Verfahren untereinander stark, aber auch die Behandlung zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unterscheidet sich deutlich.

Um die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
geht es in diesem Blog, da ich mich selbst in der Ausbildung zur TP-lerin befinde.
Die Ursachenerklärung der TP geht davon aus, dass sich die Kindheit in vier Phasen unterteilen lässt: die orale Phase (mit ca. anderthalb Lebensjahren), die anale Phase (ca. 2.-4. Lebensjahr), die genitale Phase (ca. 4.-6. Lebensjahr) und die Latenzzeit (Schulalter bis zum Eintritt in die Pubertät). Zu jeder dieser Phasen müssen oder sollen verschiedene Entwicklungsaufgaben bewältigt werden.
Wenn aber gewisse Aufgaben nicht gemeistert werden können, werden sie mit in die nächste Phase „geschleppt“ und können immer schwieriger bewältigt werden, da dort ja schon neue Aufgaben warten.
Ein Beispiel:
Anna ist zwei Jahre alt und liebt es statt zu essen mit dem Essen zu spielen. Das heißt, sie wirft die Erbsen und die Nudeln in ihren Wasserbecher und rührt kräftig umher, dann mischt sie Saft dazu und probiert das Ganze. Sie verfeinert es mit Sahnesoße und spuckt vielleicht noch hinein. Dies bringt Annas Eltern an ihre Grenzen, da sie immerzu wischen und Anna umziehen müssen. Für Anna ist dies aber eine ganz entscheidende Entwicklungsaufgabe und vollkommen angemessen für ihr Alter! Mit Sand und Wasser im Urlaub ist diese Aufgabe für alle Beteiligten einfacher zu lösen, leider hält diese Phase aber länger an, als ein Urlaub lang ist.
Tiefenpsychologisch gesehen ersetzt das „Manschen“ mit Essen oder Sand oder ähnlichem die Fäkalien von Anna. Denn sie ist in der analen Phase und versucht sich mit ihrer Kacke auseinanderzusetzen. Da sie dies aber nicht darf und sie schnell gelernt hat, dass Kacke in den Müll gehört und eklig ist, ist sie schon so einfallsreich und benutzt andere Dinge, um die Kacke zu ersetzen.
Wenn aber ihre Eltern sehr rigide sind und nichts zulassen, was mit „manschen“ zutun hat, kann es gut sein, dass Anna nicht „sauber“ wird oder besser: nicht werden kann. Oder sie reagiert in eine andere Richtung und möchte bloß keinen Sand an den Händen haben oder gar Gras an den Füßen – sie wird also zu sehr „sauber“.
Es könnte genauso sein, dass bei Anna mit 14 Jahren ein Waschzwang auftritt oder auch, dass sie sich prächtig entwickelt, weil Kinder ein Phänomen sind und es schwer erklärbar ist, warum es zu einer Erkrankung kommt oder nicht.
In der tiefenpsychologisch fundierten Therapie
mit Anna würde ich dann versuchen, diesen fehlenden Entwicklungsschritt herauszufinden. Was hier sehr anschaulich aussieht, kann in der Therapie leider nicht immer so einfach herausgefiltert werden. Im Anschluss würde ich diese „Entwicklungslücke“ mit ihr „nachbewältigen“. Ich würde viele Sitzungen mit Ton, Sand, Knete oder Salzteig gestalten. Den Boden lege ich mit Plastik aus, so dass es in diesem therapeutischen Raum eben erlaubt ist eine echte Manscherei zu betreiben. Anna kann sich hier auslassen, auf eine ganz andere Weise als im Alltag, dazu ist Therapie auch da! Und ich würde natürlich versuchen mit ihr ins Gespräch kommen.
Eltern können befürchten, ihre Kinder wünschten sich dieses therapeutische Verhalten auch von ihnen und so ist es vielleicht auch, aber es geht nicht darum, dies erfüllen zu müssen. Der normale Alltag und ein therapeutischer Prozess sind sehr unterschiedliche Dinge und ich kenne bisher kein Kind, was das nicht verstanden hat.
Der Heilungsprozess hängt, neben der Therapieform, auch davon ab, ob Therapie Freude macht, also ein Kind gerne kommt und am allermeisten davon, wie sehr Patient und Therapeut sich mögen.
Die Autorin, Daniela Penkwitz, ist Erzieherin, Diplom Pädagogin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin i. A.